Meinen kleinen Aufsatz im Leinpfad Nr. 28 hatte ich seinerzeit etwas provokant betitelt:

"Hieß Düsseldorf mal "Dühseldorf"?

Tatsächlich habe ich den Namen "Düsseldorf" nie derart verballhornt gefunden. Jedermann weiß schließlich, dass diese Stadt an der Düssel liegt und nicht an der "Dühsel"!

Düsseldorf (oder "Dühseldorf"?) in einer Urkunde von 1841.

Das "lange s" (rot) hat hier eine deutliche Schleife in der Unterlänge sowie eine angedeutete Schleife in der Oberlänge und wird damit einem "h" zum Verwechseln ähnlich!

An diesem Beispiel sieht man, dass das "lange s" auch in die Schreibschrift der Antiqua übernommen wurde. Gerade dort wird es heute nicht korrekt zugeordnet und als "h" gelesen.

Wer sich aber familienkundlich betätigt, weiß ein Lied davon zu singen: Dokumente sind zu lesen, die einst von der Hand eines Pfarrers oder Standesbeamten ausgefüllt wurden.

In den Kirchenbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts schrieben die Pfarrer meist in lateinischer Schreibschrift (Antiqua), deren Entzifferung uns heute nicht besonders schwer fällt.

Dokumente des 19. Jahrhunderts sind allerdings meist in Fraktur vorgedruckt; auch darin kann man sich schnell einlesen.

Sehr ungewohnt jedoch für jemanden, der erst in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts seine ersten Schreibversuche auf der Schiefertafel in lateinischer Ausgangsschrift unternahm, ist die "Deutsche Schreibschrift" (Kurrente), die Handschrift, in welcher die Vordrucke des 19. Jahrhunderts ausgefüllt wurden.

(Die "Deutsche Schrift" entstand aus der spätgotischen Notula und wurde schon seit dem 15. Jahrhundert in Deutschland geschrieben. Nach 1941 wurde sie an den Schulen nicht mehr gelehrt. Eine späte, stark vereinfachte Variante war die nach ihrem Schöpfer benannte Sütterlin-Schrift, die zwischen 1915 und 1941 an den Schulen gelehrt wurde).

Klare, wie gestochen wirkende, flüssig mit dem Federkiel oder der Stahlfeder geschriebene Buchstaben beherrschen meist das Schriftbild; schnell hat man sich auch hier eingelesen. Und doch gibt es Tücken...

Lesen Sie in Todesanzeigen schon mal Namen wie "Niehsen", "Mahsen" oder "Deuhsen"? Ich habe mich darüber auch gewundert. Spätestens, als ich dann auch Namen wie "Gillehsen", "Thyhsen" oder "Ehser" las, zweifelte ich an der korrekten Wiedergabe der Schreibweise. Weder phonetisch noch etymologisch ergeben diese Namen einen Sinn. Leider findet man sie auch in vielen Kirchenbuch-Verkartungen derart verunstaltet...

Während bei der ersten Gruppe statt des "...hs..." ein scharfes "s" hätte stehen können und das "h" noch als Dehnungs-"h" erklrbar gewesen wre, werden die Namen der zweiten Gruppe sicher nicht gedehnt gesprochen, und man hätte hier nach kurzem Vokal ein "...ss..." erwartet.

Die Ursache für die oben angeführte Schreibweise der Namen mit "...hs..." liegt in der Fehlinterpretation einer Zeichenkombination, die wir heute in dieser Form nicht mehr kennen:

Wenn in Deutscher Schreibschrift innerhalb eines Wortes die Buchstabenkombination "...ss..." zu schreiben war, so schrieb man das erste "s" als sogenanntes "langes s", das zweite als "rundes s"!

Das Wort "unterschrieben" aus der gleichen Urkunde von 1841.

Korrekte Schreibweise: Das "lange s" (blau) ohne Schleifen,das "h" (rot) mit Schleifen in der Ober- und Unterlänge.

Das "lange s" besteht aus einem schlanken Buchstaben mit Ober- und Unterlänge, es hat aber keine "Schleifen"!

Wenn nun jemand schnell schrieb, so konnte es durchaus sein, dass leichte Schleifen in der Ober- und in der Unterlänge auftraten wie oben im Wort "Düsseldorf".

Damit wurde das "lange s" aber dem Buchstaben "h" zum Verwechseln ähnlich!

Wer diesen Zusammenhang nicht kennt, liest das leicht schleifige "lange s" als "h", und schon ist aus einem Herrn "Esser" der Herr "Ehser" geworden und aus der Frau "Deussen" die Frau "Deuhsen"!

Die Verwechslungsgefahr war so groß, dass sich 1955 das hamburgische Rechtsamt veranlasst sah, ein Rundschreiben an alle Standesämter zu richten, um eine einheitliche Transliterierung des vermeintlichen "hs" durchzusetzen.

Diese Verordnung ist aber wohl nicht von allen Standesbeamten gelesen worden, denn praktisch alle Namen, die man heute mit den Buchstaben "...hs..." geschrieben findet, lassen sich auf den Schreib- und Lesefehler zurückführen.

Familienforscher sollten daher diesen Zusammenhang kennen und stets prüfen, ob es sich um ein "langes s" handelt und nicht um ein "h"!

Reiner Steppkes, Stülpend 7, 41812 Erkelenz Tel. 02431/72426, reiner@steppkes.eu